Scrum: Die nächste Generation des Projektmanagements?

von Tom am 11. Juli 2009

Agile Softwareentwicklung ist in aller Munde, und Scrum scheint eine wesentliche Rolle zu spielen, die dem klassischen Projektmanagement den Rang abzulaufen „droht“, wenn man so in die Web 2.0-Welt hineinhorcht. Tatsächlich aber ist Scrum wie auch das früher recht populäre Spiralmodell nicht für alle Softwareprojekte geeignet. Der Scrum-Ansatz ist außerdem eine Eigenheit der Softwareentwicklung, denn für den Bau einer Brücke oder eines Flugzeugs kann man sich Scrum als Ansatz kaum vorstellen. Aber warum eigentlich nicht?

Schauen wir uns Scrum genauer an. Die darin üblichen Rollen sind der Product Owner (im Projektmanagement der Sponsor), das Team (im Projektmanagement das Projektteam) und der Scrum Master (im Projektmanagement dann wahrscheinlich am ehesten der Projektmanager). Der grosse Unterschied ist, dass die Entwickler direkt mit dem Product Owner sprechen und das Team selbst bestimmt, wie es arbeitet, dieses also nicht von dem Projektmanagement auferlegt bekommt. Dass es einem Softwareprojekt zum Vorteil gereichen kann, wenn der Kunde von Anfang an miteinbezogen wird, das ist keine neue und erst mit Scrum verstandene Information. Und dass das Team die Vorgehensweise bestimmt, auch das sollte in einem klassischen Unternehmen nicht unmöglich sein.

Warum dann überhaupt ein anderer Ansatz? Weil die Scrum-Begründer der Ansicht sind, dass die Produktion von mancher Software zu komplex ist, als dass sie sich in einzelne Arbeitspakete splitten und planen lässt. So ganz unrecht haben die Scrum-Befürworter damit nicht, denn die Zukunft ist nunmal ungewiss, und bei manchen Projekten hat man so gut wie keine Ahnung, ob und wenn ja, wie genau etwas umgesetzt werden soll (eventuell ist hier der Fehler aber bereits in der Projektinitialisierung zu sehen, wo man Verfahren hätte testen können?).

Wie sähe es denn nun aus, wenn man ein Flugzeug bauen wollte mit Scrum? Das Team käme täglich zum Daily Scrum vorbei, maximal 15 Minuten, und würde sich befragen, wodurch man gerade aufgehalten wird und womit man fertig geworden ist. Offensichtlich könnten hier einige Team-Mitglieder noch gar nicht mitarbeiten, denn um das Flugzeug zu bauen, benötigt man erst mal ein Design, das sich auf das Material, die technischen Anforderungen usw niederschlägt. Erst wenn dieses vorhanden ist, kann die Materialbeschaffung angegangen werden. Und erst wenn das Material da ist, kann das Flugzeug gebaut werden. Klingt nach einem typischen Wasserfallprozess, der sich dadurch ergibt, dass jemand erst anfangen kann, wenn jemand anders etwas abgeschlossen hat. Ähnlich sieht es mit dem Bau einer Brücke auch aus.

Heisst das nun, dass Scrum für andere Bereiche als Software absolut sinnlos wäre? Nein, denn tatsächlich ist Scrum sogar durch einen anderen Bereich inspiriert: Die Schlanke Produktion, die bei japanischen Autobauern eingeführt wurde und die zum Beispiel die teilautonome Gruppenarbeit hervorgebracht hat. Dadurch, dass eine Gruppe notwendige Kompetenzen für Entscheidungen bekommen hatte und dadurch autonom arbeiten konnte, wurden Arbeitskräfte wesentlich flexibler und mit Hinblick auf die Wertschöpfung eingeteilt. Dies ist ein nicht zu unterschätzender Faktor. Doch eine Sache stimmt hier nicht. Bei der Autoproduktion handelt es sich gar nicht um ein Projekt! Denn nur das erste Auto, das neu entworfen und gebaut wird, entstammt einem wirklichen Projekt, der Serienwagen danach entstammt der operationalen Arbeit. Natürlich kann in so einem Kontext wieder flexibler agiert werden, schließlich ist das Endprodukt und die Schritte dorthin bekannt.

Würde man das Projekt „Neues Auto entwerfen und bauen“ nun mit dem Scrum-Ansatz angehen, so würde sich wahrscheinlich kein Autohersteller damit zufrieden geben, wenn man ihm sagte, dass dies ein so komplexes Unterfangen sei, dass man nix genaues sagen könne, wann es denn fertig wäre. Schließlich gibt es Erfahrungen (Lessons Learned), und gut ausgebildete Projektmanager haben gelernt, auch in unbekanntem Terrain voller Unsicherheiten den richtigen Weg einzuschlagen und pünktlich am Ziel anzukommen.

Nein, Scrum soll hier nicht niedergeredet werden. Scrum ist ein toller Ansatz, und er macht für manche Projekte absolut Sinn. Aber eben nicht für jedes. Beim Projektmanagement kommt es darauf an, immer das richtige Werkzeug für die Aufgabe zu wählen, und manchmal könnte es Scrum sein, ein anderes Mal auch ein klassisches Wasserfall-Modell.

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